Durch Bienen besser werden
In der wesensgemäßen Imkerei wird oft der meditative Blick ins Bienenvolk beschrieben und „was das mit einem macht“, wie es heute heißt. Da ist z. B. von „Dankbarkeit“ oder „tiefer Verbundenheit“ die Rede. Bisher habe ich das nur als Wirkung von äußeren Reizen gelesen. Etwas dringt von außen in den Betrachter ein und verändert ihn. So hat man früher z. B. die Wirkung von Reliquien beschrieben. Dass „etwas einleuchtet“, drückt diesen von aussen kommenden und nach innen wirkenden Effekt aus.
Es bleibt aber nicht beim Staunen, sondern der Blick in die Bienen wird als „Schulungsweg“ begriffen. Bienen zu halten, soll die Empathie mit Mitmenschen fördern. Der Imker solle sich bemühen, die Prinzipen seiner Tiere für das eigene Leben zu übernehmen und so evolutionär einen Beitrag zu einem besseren Menschengeschlecht leisten. „Der Bien […] lehrt mich Vertrauen, Geschwisterlichkeit, Wertschätzung und Liebe. […] Bienen lehren mich die totale Verbundenheit, die intimste Beziehung mit allen anderen Wesen auf dieser Welt.“
Das ist ein Gedanke, der aus dem Spiritismus des 19. Jahrhunderts kommt: die sittlich-moralische Evolution der Persönlichkeit, durch die Begegnung mit höheren Wesen. Durch Wiedergeburten führe das zu einer immer besseren Menschheit. (Allan Kardec). Der Wissenschaftsjournalist Wilhelm Bölsche entwarf dazu passend dieses Zukunftsbild: „Eine Menschheit, durch Forschung allwissend, durch Menschenliebe allgütig und einheitlich, ein einzigen Individuum gleichsam […] zum Schluss.“ Das Endziel der Menschheit – ein Individuum zu werden wie die Bienen im Bienenvolk.

Das Wesen des Biens spricht mit dem Imker und verändert ihn. (Bildausschnitt einer Zeichnung von Franziska van der Geest vom Buchumschlag Massei, „Die Gaben der Bienen“ (2014).