Wie Gerstung philosophisch mit Bienen lebte

Ferdinand Gerstung, der andere Vater der wesensgemäßen Imkerei, verband seine Liebe zu den Bienen mit seiner Liebe zur Weisheit. Er berief sich dabei auf den Philosophen Rudolf Eucken (1846-1926). Dessen Sohn, der Ökonom Walter Eucken ist heute allerdings viel bekannter als sein Vater.

Gerade arbeite ich mich durch das Werk von Eucken, um zu verstehen, warum Gerstung so aggressiv gegen die Imker der älteren Schule (Berlepsch) wetterte und warum er heute noch immer ein hohes Ansehen hat – und das nicht nur in wesensgemäßen Kreisen. Zum Imkerkurs geht’s hier.

Eucken ging davon aus, dass sich die Kultur seiner Zeit in einer Krise zwischen einer geistigen und einer realen Welt befand. Die geistige Welt kann vor allem gefühlt werden. Sie sei geprägt von Religion, Kunst und alter Wissenschaft. In der realen Welt herrsche hingegen die exakte Naturwissenschaft, der Mensch sei nur noch ein Teil der Natur und lebe in einer Masse mit anderen Menschen. Von den Tieren unterscheide ihn aber der Individualismus. Er sehne sich nach der Unendlichkeit. Eucken macht das an der Stellung des Menschen im Weltall deutlich. In der realen, natürlichen Welt sei er im Gegensatz zu früher jetzt völlig einsam im Weltall. Er sei unglücklich und wünsche sich im Unterschied zum Tier ein „höheres Leben“.

Als Lösung entwirft Eucken in „Der Sinn und Wert des Lebens“ [1910] als Ziel eine neue Art von Religion. Diese müsse sich aber erst noch entwickeln. Das geschehe, indem der Mensch sein Leben als Teil der natürlichen und geistigen Umwelt, d.h. ganzheitlich, lebe. Er müsse dazu „bei sich“ sein und seine Innerlichkeit pflegen. Dann entstehe durch „geistige Evolution“ ein neues Einheitsgefühl auf diesen Ebenen: Einzelner, Volk, Menschheit und Weltall. Am besten geschehe dies durch „Tat“, Kunst und die Beschäftigung mit dem Werk Goethes.

Da kommt mir viel schon bekannt vor (- trivialer bei Langbehn). Der Dreh zu Gerstung gelingt durch das ganzheitliche Einfühlen in die Bienen und die Bedeutung der „Tat“. Die war vielen der Lebensreformer wichtig, weshalb sie Fabriken, Siedlungen (sogen. „Kolonien“) und Sanatorien gründeten. Bei Gerstung waren es seine Söhne, die Imkereibedarf herstellten.

Der Lebensphilosoph und Literaturnobelpreisträger [1908] Rudolf Eucken prägte Ferdinand Gerstung.

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